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Die musikalische Dimension der Juristerei

„Wie komponieren Juristen ihre Texte?“ Dieser Frage ging Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön bei seinem Vortrag im Rahmen der Themenkonzerte 2019 in München nach. Er nahm das Publikum mit auf eine unterhaltsame Reise in die Welt der juristischen Publikation – vom gelehrten Traktat über den nüchtern-preußischen Kanzleistil bis zum rhetorischen Donnerwetter –, und zeigte die Parallelen zwischen den Prozessen des Denkens, Gestaltens und Kommunizierens in der juristischen Zunft und in der Musik auf. Das Instrument der gemeinsamen Sprache verbindet Praktiker und Professoren, Richter und Rechtsanwälte, Beamte und Berater. Aber jeder spielt es anders.

Schön stellte das bühnenhafte, performative juristischer Texte heraus und erläuterte die kompositorische Kunst im Verfassen von Urteilen, die darin besteht, den Eindruck von Konsistenz, ja gar von Unausweichlichkeit zu vermitteln, ähnlich einer Fuge oder eines Sonatenhauptsatzes. Dabei könne der Stil zwischen den einzelnen Jurisdiktionen stark variieren, erläuterte Schön. Ist der Urteilsstil der britischen Justiz zum Beispiel von blumigen Bemerkungen, witzigen Kommentaren und scharfen Formulierungen geprägt, pflegt der höchste französische Gerichtshof traditionell eine extrem verknappte, kartesianisch nüchterne Sprache. Auch seien in der angelsächsischen Tradition die Stimmen der einzelnen Richter „polyphon“ zu hören, während Kontinentaleuropa einen „homophonen Urteilsstil“ pflege. Ihre homophonen und polyphonen Fertigkeiten stellten auch OperaBrass, die Blechbläser der Bayerischen Staatsoper, unter Beweis und rundeten die geistreiche Präsentation mit einem virtuosen Konzert ab.

Februar 2019