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Otto-Hahn-Medaille für Sven Simon

Otto-Hahn-Medaille für Sven Simon

Auf der 73. Jahrestagung der Max-Planck-Gesellschaft am 22. Juni 2022 wurde Dr. Sven Simonfür seine innovative Dissertation zur Erforschung von unehrlichem Verhalten im wirtschaftlichen Kontext mit der Otto-Hahn-Medaille ausgezeichnet.

(v.l.n.r.): Ulman Lindenberger, Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft, Preisträger Sven Simon und Ulrich Becker, Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Photo: Max Planck Gesellschaft / David Ausserhofer

Warum betrügen manche Menschen, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, während andere scheinbar unbestechlich sind? Womit hängt es zusammen, dass Menschen in Teams tendenziell unehrlicher sind, als Personen, die alleine entscheiden? Macht die berühmte Gelegenheit den Dieb oder suchen sich unehrliche Menschen bewusst Situationen, in denen sie betrügen können? Diese Fragen sind nicht nur für Psychologen, sondern auch für Ökonomen wie Sven Simon, wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, hochinteressant. Denn betrügerisches Verhalten kann den Staat, kann Organisationen und Unternehmen Milliarden kosten.

Individuelle Motive für Compliance identifizieren

Mit Cum-Ex-Skandal, Wirecard-Affäre oder Abgasmanipulation bei VW ereigneten sich jüngst drei spektakuläre Fälle, bei denen Steuerzahler*innen, Anleger*innen und Kund*innen um enorme Summen geprellt wurden. Und drei Beispiele für Wirtschaftskriminalität, die über Jahre hinweg betrieben wurde, obwohl eine ganze Reihe von Personen involviert und mitwissend war. Oder vielleicht gerade deswegen?

Sven Simon nähert sich der Frage nach den individuellen Motiven und Einflussfaktoren für Compliance-Entscheidungen mithilfe der experimentellen Ökonomik. Der Wirtschaftswissenschaftler ist fasziniert davon, die Theorie ins Labor zu bringen und anhand von Experimenten zu überprüfen, wie Entscheidungen zustande kommen und welche Ursachen oder Bedingungen es für ein bestimmtes Verhalten gibt. Etwa dafür, in der Gruppe unehrlicher zu entscheiden, als im Alleingang.

So entwickelte Simon für seine Dissertation ein Laborexperiment, mithilfe dessen er zeigen konnte, dass Menschen in Teams nicht grundsätzlich unehrlicher  entscheiden als Einzelpersonen, sondern nur unter bestimmten Umständen – nämlich, wenn sie die wirtschaftlichen Konsequenzen ihres Verhaltens mit anderen Team-Mitgliedern teilen. Mehr dazu hier.

Unehrlichkeit braucht Zeit

„Einfache, aber wirkungsvolle Experimente zu entwickeln, ist sowohl eine intellektuelle Herausforderung als auch eine gewisse Kunst“, sagt Sven Simon. Eine Kunst, die den Ökonomen erfüllt und die er virtuos beherrscht. So konnte er im Rahmen seiner Dissertation auch zeigen, dass unehrliche Angaben auf einem mehrstufigen und zeitintensiven kognitiven Prozess beruhen. Um zu betrügen, müssen Menschen eine sich bietende Gelegenheit überhaupt erst einmal wahrnehmen. Da dies den meisten Menschen unter Zeitdruck schwerfällt, neigen sie intuitiv zu ehrlichem Verhalten.

Wer betrügen will, sucht auch die Gelegenheit

Darüber hinaus entwickelte Sven Simon einen innovativen Ansatz um individuelle psychologische Lügenkosten zu messen – Kosten, die z.B. in den individuellen moralischen Vorstellungen von Menschen oder aber in sozialen Normen begründet sind. Seine Experimente zeigen, dass sich Menschen abhängig von ihrer individuellen Abneigung gegenüber unehrlichem Verhalten gezielt Situationen aussuchen, in denen sie einen Verdienst auf ehrliche oder auf unehrliche Art und Weise erzielen können. Mehr dazu hier.

Werdegang und Ausblick

Dr. Sven Simon studierte von 2009 bis 2014 Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Mannheim und Kopenhagen. Seine Promotion schrieb er am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in der Abteilung von Prof. Dr. Kai A. Konrad, wo er von 2014 – 2020 als Doktorand und Manager des Experimentallabors econlab beschäftigt war. Seit 2020 ist Sven Simon als wissenschaftlicher Referent am Institut tätig.

Aktuell untersucht Sven Simon in seiner Forschung die Frage, wann Individuen es vorziehen, persönliche Entscheidungsrechte zu delegieren (z.B. an den Staat) und wann sie ihre persönliche Entscheidungsfreiheit höher schätzen. Hierzu arbeitet der Ökonom an einer Reihe von Forschungsprojekten.

Otto-Hahn-Medaille

Mit der Otto-Hahn-Medaille zeichnet die Max-Planck-Gesellschaft herausragende Promotionsarbeiten aus. Sie wird seit 1978 jährlich vergeben. Die Verleihung der Otto-Hahn-Medaille für 2021 mit Dr. Sven Simon als einem der Prämierten findet am 22. Juni 2022 im Rahmen der 72. Jahrestagung der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin statt.

 

 

 

 

 

Einzelne Kapitel der ausgezeichneten Dissertation:

Konrad, K. A., Lohse, T. und Simon, S. A., 2021. Pecunia non olet: on the self-selection into (dis)honest earning opportunities. Experimental Economics, 24, S. 1105-1130. DOI: 10.1007/s10683-020-09691-7

Lohse, T. und Simon, S. A., 2021. Compliance in teams – Implications of joint decisions and shared consequences. Journal of Behavioral and Experimental Economics, 94. Article No. 101745. DOI: 10.1016/j.socec.2021.101745

Lohse, T., Simon, S. A. und Konrad, K. A., 2018. Deception under time pressure: conscious decision or a problem of awareness?. Journal of Economic Behavior & Organization, 146, S. 31-42. DOI: 10.1016/j.jebo.2017.11.026

Simon, S. A., Is it a Lie if I don’t know? Self-serving dishonesty under ignorance. Working Paper of the Max Planck Institute for Tax Law and Public Finance No. 2020-12. SSRN

 

 

Juni 2022