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Juristische Bücher des Jahres – die Steuerumgehung

„Die Steuerumgehung“ von Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad, ehemalige wissenschaftliche Referentin am MPI für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, steht auf der diesjährigen Liste empfehlenswerter juristischer Literatur.

In ihrer am Institut verfassten und bei Mohr-Siebeck erschienen Habilitationsschrift untersucht Christine Osterloh-Konrad den Umgang verschiedener Rechtsordnungen mit dem Phänomen der Steuerumgehung. Die Steuerumgehung definiert die Juristin als ein Verhalten, das „den Wortlaut des einschlägigen nationalen Steuergesetzes gegen seinen Sinn und Zweck ausspielen“ möchte.

Christine Osterloh-Konrad unterzieht das Phänomen zunächst einer umfassenden rechtsvergleichenden Analyse – eine „Pionierleistung“, wie Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, stellvertretend für die Juroren der „Juristischen Bücher des Jahres“ in der „JuristenZeitung“ schreibt. Die Professorin an der Universität Tübingen untersucht mit deutschem und französischem sowie mit britischem und US-amerikanischem Recht zwei kontinentaleuropäische und zwei common-law-Rechtsordnungen auf ihren jeweiligen rechtlichen Rahmen zur Behandlung von Umgehungsgestaltungen sowie auf die Instrumente der Missbrauchsbekämpfung. Auf dieser Grundlage analysiert Osterloh-Konrad die Reaktionen des Rechts auf Umgehungsversuche als Mechanismen punktueller Regeldurchbrechung.

Dabei überwindet sie, so attestiert Zimmermann, das Denken in den scheinbar unauflösbaren, starren Alternativen von Rechtssicherheit und Besteuerungsgleichheit, um welche die Debatte über die Steuerumgehung kreist. Einerseits muss der Staat danach trachten, einem Steuerpflichtigen die Vorteile geschickter Steuergestaltungen zu versagen, die bei buchstabengetreuer Anwendung des Steuergesetzes günstige Steuerfolgen produzieren, welche dessen Sinn und Zweck nicht entsprechen. Andererseits haben Steuerpflichtige, denen der Staat in die Tasche greift, ohne eine unmittelbare Gegenleistung an die Steuerpflicht zu knüpfen, ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis nach einer eindeutigen und verlässlichen Rechtslage.

Christine Osterloh-Konrad begreift den Umgang des Rechts mit der Steuerumgehung als ein mehrdimensionales Optimierungsproblem, bei dem es gilt, Verlässlichkeit des Rechts und Besteuerungsgleichheit in einen Ausgleich zu bringen, ohne institutionelle Kompetenzgrenzen sowie die Handlungsmöglichkeiten und Verhaltenstendenzen der Beteiligten aus den Augen zu verlieren. Eine einzig richtige Lösung gebe es nicht, schreibt Zimmermann, und sie werde von Osterloh-Konrad auch nicht propagiert. „Doch ein wesentlicher Erkenntnisfortschritt der Arbeit liegt eben in der Herausarbeitung der Elemente dieses anspruchsvollen „juristischen Mobiles“ (…).“

Zur Auswahl der empfohlenen Werke
Ein Kreis von Rechtsgelehrten sucht seit mehr als 20 Jahren aus den Neuerscheinungen eines Jahres jene Bücher aus, „die zu lesen sich für jeden Juristen lohnt“, und präsentiert das Ergebnis in einer juristischen Fachzeitschrift. Dabei weist Reinhard Zimmermann in der diesjährigen Ausgabe darauf hin, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen sich nicht die Rolle einer Jury in einem Wettbewerb über die besten juristischen Bücher des Jahres anmaßen würden. Zu groß und zu unüberschaubar sei die Zahl juristischer Werke, die Jahr für Jahr in Deutschland erscheinen würden. Vielmehr benenne jeder der Autoren zwei Bücher, die ihm oder ihr im Laufe des vergangenen Jahres aus der Menge der gezielt durchforsteten oder in eigenem Arbeitszusammenhang gelesenen Literatur aufgefallen seien.

Die Steuerumgehung – eine rechtsvergleichende und rechtstheoretische Analyse“ ist bei Mohr Siebeck erschienen.  


Insgesamt wurden in der aktuellen Ausgabe der JuristenZeitung sieben Titel als „Juristische Bücher des Jahres“ und drei lesenswerte Bücher aus dem Ausland empfohlen.

Die ausgewählten Bücher

Fabian Klose: „In the Case of Humanity“. Eine Geschichte der humanitären Intervention im langen 19. Jahrhundert. – Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2019. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Bd. 256.) 516 S.; geb.: 70.–€. ISBN 978-3-525-37084-1.

Inga Markovits: Diener zweier Herren. DDR-Juristen zwischen Recht und Macht. – Berlin: Ch. Links, 2020. 240 S.; brosch.: 20.–€. ISBN: 978-3-96 289-085-8.

Philipp Sahm:Elementeder Dogmatik.– Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, 2019. 224 S.; geb.: 39.90 €. ISBN 978-3-95832-171-7.

Fabian Michl: Unionsgrundrechte aus der Hand des Gesetzgebers. – Tübingen: Mohr Siebeck, 2018. (Verfassungsentwicklung in Europa; Bd. 13.) XVIII, 335 S.; brosch.: 64.–€. ISBN 978-3-16-156022-4; eBook 978-3-16-156 023-1.

Gregor-Julius Ostermann: Transparenz und öffentlicher Meinungsbildungsprozess. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung. –Tübingen: Mohr Siebeck, 2019. (Studien und Beiträge zum Öffentlichen Recht; Bd. 41.) XVII, 530 S.; Leinen: 119.–€. ISBN 978-3-16-156808-4; eBook 978-3-16-156 809-1.

Christine Osterloh-Konrad: Die Steuerumgehung. Eine rechtsvergleichende und rechtstheoretische Analyse. – Tübingen: Mohr Siebeck, 2019. (Veröffentlichungen zum Steuerrecht; Bd. 7.) XXXVIII, 786 S.; Leinen: 169.–€. ISBN 978-3-16-155810-8; eBook 978-3-16-156 174-0.

Markus Abraham: Sanktion, Norm, Vertrauen. Zur Bedeutung des Strafschmerzes in der Gegenwart. – Berlin: Duncker & Humblot, 2018. (Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge [SRA]; Bd. 283.) 290 S.; brosch.: 79.90 €. ISBN 978-3-428-15328-2.

Leseempfehlungen aus dem Ausland
Eric D. Weitz: A World Divided. The Global Struggle for Human Rights in the Age of Nation-States. – Princeton: Princeton University Press, 2019. 576 S.; geb.: 35.– $. ISBN 978-0-691-145-440.

Wojciech Sadurski:Poland’s Constitutional Breakdown. – Oxford: Oxford University Press, 2019. (Oxford Comparative Constitutional-ism Series) 304 S.; geb.: 34.69 €. ISBN 978-0-19-8840503.

Kees Schuyt: R.P. Cleveringa: Recht, onrecht en de vlam der gerechtigheid. – Amsterdam: Boom Uitgevers, 2019. 560 S.; kart.: 39.90 €. ISBN 978-9-02 440 908-2.

 

Dezember 2020